Durchs Schlüsselloch operiert
Laparoskopische Operationen bieten die Möglichkeit, minimal-invasiv durch nur drei kleine Hautschnitte zu operieren. Die Spiegelung der Bauchhöhle und des Beckenraumes wird kombiniert mit dem gleichzeitigen chirurgischen Eingriff. Über eine endoskopische Kamera sieht der Chirurg das Operationsgebiet auf einem oder mehreren Bildschirmen und kann so den Eingriff gezielt durchführen. Der Wechsel zwischen verschiedenen Instrumenten zum Festhalten, Schneiden und Koagulieren machen diese Art der OP komplex und auch die eingeschränkte Sicht auf das Operationsfeld ist eine weitere Herausforderung für das OP-Team. Vor diesem Hintergrund hat unser Kunde Erbe Elektromedizin mit dem TriSect rapide nun eine neue Generation von Kombinationsinstrument entwickelt, bei dem die kombinierte Funktionalität der drei Grundfunktionen mit einer überragenden Ergonomie gekoppelt worden ist. Als externer Partner für Ergonomie und Design durften wir unsere Expertise beitragen.
Aufgabe
- Ziel: Entwicklung eines laparoskopischen Instruments für Halten, Schneiden und Koagulieren.
- Fokus: Funktionalität, Ergonomie, und intuitive Handhabung.
- Verantwortlichkeiten bei WILDDESIGN:
- User-Research
- Ergonomie
- Multifunktionales Produktdesign
Vorgehen
- Zwei Tage Ergonomie-Workshop am Klinikum Tübingen zur Simulation und Bewertung der Instrumentenanwendung.
- Iterative Formfindung und Optimierung basierend auf 3D CAD-Daten.
- Herstellung und Testen zahlreicher Prototypen, Einsatz von 3D-Drucktechnologie.
- Integration von Anwenderfeedback zur Steigerung von Komfort und Funktionalität.
Ergebnis
- TriSect rapide – ein ergonomisches, laparoskopisches Kombinations-Instrument.
- Dynamischer Griff, geeignet für verschiedene Handgrößen.
- Drehbarer Schaft mit 360-Grad-Rotation, intuitive Platzierung der Bedienelemente.
- Farbkodierte Taster für unterschiedliche Funktionen: Blau für Koagulation, Gelb für Schneiden.
- Auszeichnung: Gewinner des Red Dot Design Award 2023 in der Kategorie „Medizin & Life Sciences“.
Design- und User-Recherche zu Beginn
Zu Beginn des Projektes hieß es für uns: Laparoskopische Operationen und die Herausforderungen der Anwender kennenlernen. In einem 2-tägigen Ergonomie-Workshop am Klinikum Tübingen, moderiert vom Erbe-Inhouse Usability-Experten, haben wir die Anwendung der Instrumente simuliert ausprobieren können und die unterschiedlichen Lösungen anhand einer großen Bandbreite an verschiedenen am Markt erhältlichen Produktmustern bewerten können. Dabei waren die vergleichenden Komforttests mit den Anwendern besonders aufschlussreich, denn die Instrumente werden in der Praxis fast ausschließlich mit dem Tastsinn wahrgenommen und gesteuert. Dazu kommt die teilweise unnatürliche Hand- und Armhaltung des Operateurs, teilweise über längere Zeit. Es macht deshalb Sinn, das Handstück in Richtung Greifkomfort auszulegen. Besonders in Erinnerung blieb die Aussage eines Arztes, der „die Würde der Instrumentenfunktion“ beschrieb. Damit meinte er, dass das Schneiden in lebendes menschliches Gewebe mit einem entsprechenden Feedback in der Hand des Operateurs verbunden sein sollte. Ein sich verziehendes Kunststoff-Gehäuse, welches ggf. noch Knirschgeräusche beim Zudrücken von sich gibt, wäre in dieser Hinsicht ein „No-Go“.
Vorgehen
So inspiriert und sensibilisiert, machte sich das Designteam an die Formfindung und erschuf verschiedene alternative Designkonzepte und dutzende iterative Optimierungen. Als multifunktionales Instrument muss das Gehäuse viele Funktionen auf engstem Raum verstauen. Der Bauraum für die mechanischen Komponenten war die eine Herausforderung, die optimale Passung zur Hand eine andere. Dabei sollte der Griff auch für kleine Hände angenehm nutzbar und alle Auslösefunktionen gut erreichbar sein. Für große Hände ist jedoch weniger die Erreichbarkeit das Problem als eventuell geschlossene oder eingeengte Griffbereiche. Eine ergonomische Form war also die Essenz für den Erfolg des Projekts.
Über den mehrmonatigen Designprozess hinweg haben wir aus unseren 3D CAD-Daten immer wieder vergleichbare Muster hergestellt und sie testen lassen. Es gab Wochen, in denen unsere 3D Printer nicht stillstanden. Im Laufe der Designentwicklung konnten wir 3D-Drucke in allen Qualitätsstufen bis hin zum seriennahen funktionalen Prototyp liefern.
Ein ausgereiftes Ergebnis das sich sehen lassen kann
Das fertige Produkt TriSect rapide vereint maximalen Bedienkomfort mit einem effektiven Workflow. Dafür steht bereits der Name: „tri“ für die drei verbundenen Instrumente, „sect“ für „dissection tool“ und „rapide“ für die schnellen chirurgischen Arbeitsabläufe. Der dynamisch gestaltete Griff passt ideal in kleine und große Hände und ist somit für Chirurgen als auch Chirurginnen gleichermaßen geeignet. Mit einem Drehrad lässt sich der Schaft um 360 Grad drehen. Durch das ergonomische Design landet der Finger nach einer Drehbewegung wieder direkt am Taster. Damit lässt sich sowohl präzise greifen als auch der Winkel der Branchen feinfühlig öffnen. Der Daumen stabilisiert und liegt dabei bequem auf einer Vertiefung an der Seite des Instruments.
Für die Hämostase (thermische Koagulation, Blutstillung durch Hitze) wird der kleine blaue Taster gedrückt. Zum Durchtrennen des Gewebes muss der Griff weiter durchgedrückt werden. So stößt er auf eine gelbe Taste, die den Koagulations-Stromfluss auslöst. Im Vergleich zu vorherigen multifunktionalen Werkzeugen arbeitet TriSect rapide mit Strom statt Ultraschall. Da damit auch geschnitten werden kann, gibt es sowohl ein akustisches Feedback als auch ein physisches – der leichte Widerstand verhindert ein versehentliches Einsetzen der Schnittfunktion. Um größere Flächen mit der geöffneten Zange zu schneiden, kann die gelbe Taste auch einzeln gedrückt werden. Die gewählten Farben, blau und gelb, sind genormte Farben fürs Koagulieren und Schneiden.
Hergestellt wird TriSect rapide im 2K-Spritzguss: Die Flächen, mit denen der Arzt interagiert oder auf denen die Hand aufliegt, fühlen sich gummiartig an und sind aus TPE (Thermoplastischem Elastomer) gefertigt. Der Schaft ist für verschiedene Anwendungsbereiche in drei verschiedenen Längen einsetzbar und hat einen Durchmesser von fünf Millimetern. Durch die enthaltene Elektronik kann das Instrument nicht wiederaufbereitet werden und ist daher ein Single-Use Produkt.
Den ersten Erfolg hat das brandneue Produkt bereits erzielt: Es wurde im April 2023 mit dem red dot design Award für herausragendes Produktdesign in der Kategorie „Medizin & Life Sciences“ ausgezeichnet.
"Unser erstes gemeinsames Projekt mit der Erbe Elektromedizin GmbH ist ein gelungenes Beispiel für enge Zusammenarbeit zwischen Designbüro und inhouse Engineering."