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WILD How

Digitalstrategie im Unternehmen – Interview mit Axel Steinkuhle

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Digitalstrategie im Unternehmen – Interview mit Axel Steinkuhle

Axel Steinkuhle, CEO und Co-Founder von evrbit

In wenigen Worten: Was ist eine Digitalstrategie?

Axel Steinkuhle: Erstmal ist das Thema Strategiearbeit im Unternehmen immer Arbeit am Menschen. Es geht immer darum, den Menschen zum digitalen Denken zu befähigen. Das zweite Thema einer Digitalstrategie ist die Komfortzone von Unternehmen zu erweitern. Es wird von einem angstgetriebenen Zwang, etwas tun zu müssen, zu einer Gelegenheit. Und das ist viel wichtiger als die konkrete Strategie.

Die Strategie selbst muss die Entwicklung einer Haltung sein, die nicht an Zielbilder gekoppelt ist. Der Clou ist eine Vision zu haben und die dann so runterzubrechen, dass jeder darauf einzahlen kann. Der wichtigste Erkenntnisschritt ist, dass Digitalstrategie ziemlich wenig mit der Digitalabteilung zu tun hat. Es ist mehr als ein Konzept für digitale Anwendungen. Digitalstrategie heißt, ein Unternehmen ins digitale Denken zu bewegen.

Was genau ist dann der Unterschied zu einer IT-Strategie?

AS: Eine IT-Strategie wäre eher die Umgebung. Das ist ähnlich wie ein Acker, den ich bearbeite. Möchte ich einen Acker nur für Erdbeeren haben, behandele ich den anders als einen Acker, auf dem ich für Verschiedenes vorbereitet sein möchte. Die IT-Strategie behandelt eher die Infrastruktur, zum Beispiel den Umgang mit Servern. Die Digitalstrategie sagt: Was wollen wir erreichen? Und die IT-Strategie sagt: Wie ist denn unsere Umgebung, in der wir das erreichen können?

Und wo fängt man mit einer Digitalstrategie an? Was wäre der erste Schritt?

AS: Die erste Aufgabe ist immer erstmal zu sortieren: Was gibt es denn für Ziele im Unternehmen? Digitalität ist nur die Membran, um diese Ziele zu erreichen. Der erste Schritt ist daher eine übergreifende Digitalstrategie zu entwickeln, klassisch mit Mission, Vision, Objectives, die auf all die anderen Strategien einzahlen muss.

Der zweite Schritt ist eine Governance-Struktur zu entwickeln. Wir bilden dann ein Gremium aus Nicht-ITlern und der IT zusammen mit der Führungsetage, die die Digitalstrategie entwerfen muss. Der nächste Schritt ist die Implementierung der Strategie ins Unternehmen. Es bringt nichts, etwas einzuführen, wenn der Mensch sich keine eigene Haltung dazu bilden kann. Wir haben dafür ein Mittel etabliert, das nennt sich Core Beliefs. Die Core Beliefs sind eine Haltung zum Thema, im Gegensatz dazu die messbare Größe.

Gibt es ein Beispiel dafür?

AS: Wir haben mit der Lufthansa gearbeitet, die wollten eine Seamless Customer Experience über alle Touch-Points haben. Damit alle auf diese Idee einzahlen können, haben wir ein Prinzip entwickelt, das heißt Happy Next. Happy Next bedeutet, es gibt immer eine Aufgabe vor deiner Aufgabe und eine, die danach relevant ist. Happy Next kann ich auf jede Organisationsform im Unternehmen übertragen, auch auf die Kaffeemaschine im Büro.

Das Schöne ist, wenn die Leute mit diesen Core-Prinzipien Qualitätsmaßstäbe entwickeln. So haben ganze Organisationsstrukturen eine Art Sprache, mit der sie ihre Arbeit bewerten können. Auf einmal heißt es dann nicht mehr „Du hast das schlecht gemacht“ oder „Ich finde das nicht gut“, sondern: „Auf das Prinzip zahlst du ein, hier zahlst du noch nicht ein, wie können wir da noch besser werden?“ Und so kann jeder mit jedem sprechen, alle haben das gleiche Ziel, ohne es als KPI zu begreifen. Und das ist die Normierung, die wir Core Beliefs nennen.

Kann man da schon von einer Neuausrichtung des Unternehmens sprechen?

AS:  Darum geht es nicht unbedingt. Die Ziele bleiben oft die gleichen, der Weg dahin, den ändern wir. Oft möchten Unternehmen aus dem operativen Geschäft heraus Innovationen bauen. Das innovative Team entfernt sich dabei schnell vom operationalen. Es entsteht zwar etwas Tolles, aber das Mindset fehlt. Also müssen wir Core Beliefs entwickeln, damit jeder darauf einzahlen kann.

Außerdem müssen wir raus aus dem Technologiebegriff, wir müssen an die Experience denken. Zum Beispiel wollten einige Kunden unbedingt in Augmented Reality Visualisierungen von Zahlen in 3D-Räumen haben. Für uns war von Anfang an Real Time 3D der eigentliche Clou. Warum denn in AR, nur weil das die neueste Technologie ist? Am Ende sind wir auf einer geilen Desktopanimation gelandet. Wir müssen aufhören, Digitalstrategie als technisches Konstrukt zu begreifen. Wir müssen Digitalstrategie als Mindset begreifen. Und Technik bleibt ein Vehikel von vielen.

Also gibt es keine messbaren Faktoren, wie digital ein Unternehmen ist? Es kommt darauf an, wie die vorhandenen Möglichkeiten genutzt werden?

AS: Richtig, es ist Maß der Dinge. Wir raten unseren Kunden oft, Technologie nicht wegen des Trends, nicht um der Technologie willen einzusetzen. Oft wird Digitalität als reines innovatives Marketingtool missverstanden – die Nachhaltigkeit für das Unternehmen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlt so total. Dieses Dreieck aus: was willst du erreichen, mit welcher Technologie willst du es erreichen und wie soll denn die Operationalisierung aussehen? – das vergessen die meisten. Meist werden nur zwei von drei Punkten umgesetzt – wirklich erfolgreich wird es nur in diesem Triptychon. Und diese drei Aspekte zu beachten und übereinander zu legen, das ist unsere Aufgabe.

Welche Rolle spielt digitale Transformation speziell im Medical Design?

AS: Im Medical Design sind wir an einer Schwelle. Akten, Patienteninformationen und Messwerte – eine komplette Hybridität des Umgangs ist glaube ich die nächste Welle, die wir hier erleben. Aber auch hier wird nicht alles nur noch digital laufen. Der Mensch bleibt Mensch und die medizinischen Bereiche sind aufgrund ihrer großen Regulationen nicht sehr schnell. Ich glaube, es wird ein, zwei richtig große Schritte geben. Wie bei einer kambrischen Explosion kommt eine Artenvielfalt von vielfältigen Nutzungen.

Wir stehen im medizinischen Bereich da, wo wir im Internet vor zehn Jahren standen. Es gibt nicht mehr eine große Lösung, sondern tausende kleine. Man muss nicht mehr das große Ganze beherrschen, sondern man kann sich die kleine, digitale Lösung aussuchen, die man haben möchte. Und das ist glaube ich die Zukunft der Digitalisierung in der Medizin.

Wenn wir jetzt an dem Punkt stehen, wo wir beim Internet vor zehn Jahren standen, müssen wir dann in der Medizin noch einmal zehn Jahre warten?

AS: Die Kurve der Innovation wird immer steiler, technische Entwicklungen immer schneller und radikaler. Daher werden wir zum Glück keine zehn Jahre mehr warten müssen. Aber: Wir Menschen kommen aber aufgrund unseres kulturellen Umgangs mit Technologie der immensen Veränderung gar nicht mehr nach. Als die Dampfmaschine dazugekommen ist, hatten wir noch 60 Jahre Zeit uns daran zu gewöhnen, bevor die nächste industrielle Revolution der Elektrifizierung kam. Technik wird durch zehn Prozessoren zehnmal schneller, aber der Mensch kann sich nicht so einfach beschleunigen. Dennoch: Die Akzeptanz für digitale Innovation in der Gesellschaft wächst zunehmend. Die digitalen Patientenakten bleiben ein sensibles Thema, deren Umsetzung ist jetzt weitaus realistischer als noch vor fünf Jahren.

Zusammengefasst: Was ist das Wichtigste an einer Digitalstrategie?

AS: Am wichtigsten an einer Digitalstrategie ist es den Leuten zu erlauben, Ansprüche an die Digitalität zu stellen, sodass sie mir hilft und mich unterstützt. Das ist, glaube ich, der Kern von Digitalstrategien. Technologie nicht einfach als eine reine Pflichterfüllung ansehen, sondern Ansprüche an die Digitalität zu entwickeln. Das sollte jeder.

Danke Axel für das Interview!

Wollen Sie mehr über das Thema wissen? Schreiben Sie an info@evrbit.com

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Autor
Lydia Münstermann
Lydia schreibt über Designprozesse und unsere Projekte im Bereich Medical Design.

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